Kunst am Arsch der Gegenwart
Die meisten Leute denken, dass es megageil sein muss, in der heutigen Zeit Theater zu machen: Katastrophen ohne Ende und eine noch nie dagewesene Masse an persönlichkeitsgestörten Narzissten in Machtpositionen; ein Planet am Abkacken und eine Menschheit, die sich selbst durch Hightec und KI schleichend überflüssig macht. Hinzu kommt die globale Arschlochfraktion abgefuckter Superreicher und deren Fussvolk, die tagtäglich auf allen Kanälen einen nicht enden-wollenden Brainfuck-Durchfallstrom über uns ausgiessen, sodass auf unserer Erde, ausser einer Skyline aus immer neuen und immer grösser werdenden Kacketürmchen, nix anderes mehr zu gedeihen scheint.
Künstler*innen-Herz, was willst du mehr? Futter ohne Ende – könnte man meinen.
Aber nee, so ist das eben nicht. Zeitgenössisches Theater ist nämlich durchaus eine komplexe Angelegenheit. Zum Beispiel gibt's da die Schwierigkeit, aktuelle Themen künstlerisch zu verwursten, ohne lauter offene Türen einzurennen und die Zuschauer*innen für dümmer zu verkaufen, als sie sind – weil diese jene aktuellen Themen eh schon selber bis zum Abwinken auf dem Schirm haben, eben gerade, weil es aktuelle Themen sind (drum heissen sie ja auch so, logo, oder?) und drum will man sich vielleicht nicht auch noch im Theater damit befassen müssen – es sei denn, es ist megageil gemacht. Gleichzeitig ist es aber sowas wie der Urtrieb von uns Künstler*innen, zu denken «Nei, nei, hier braucht es wirklich unbedingt auch noch meinen Senf dazu!» Klar, sonst würden wir ja keine Kunst machen. Naja, auf alle Fälle, eben, äh: Gelingt so eine Reality-Verwurstung, dann sind alle ganz aus dem Häuschen – aber wenn nicht, dann werden Theatervorführungen zu Gähn-Wackeldackel-Veranstaltungen nach denen die Leute dann sagen: «Momoll, si händ sich wüki mega Müeh gäh, das hät mer gmerkt» - und das ist dann sowas wie eine Höchststrafe.
Und das wiederum impliziert die Frage, ob und wie man künstlerisch überhaupt verarbeiten kann, was an Groteske, Hirnriss und Abgründigkeit eh schon nicht zu überbieten ist? Oder die Frage, ob sich Kunst heute, angesichts des rechten Frontalangriffs auf die liberale Gesellschaft, überhaupt noch kritisch mit «normaler» Politik und Gesellschaft befassen darf, ohne dadurch Wasser auf die Mühlen der Antidemokraten zu schütten? Die Kulturszene sieht sich heute immer mehr in der Rolle derjenigen, die von Demokratie und gesellschaftlichem Miteinander retten müssen, was noch zu retten ist (was durchaus nachvollziehbar ist – was sich manchmal aber auch bitzli wie vorauseilende Selbstbeschränkung anfühlt – die letztlich eben auch wiederum den Rechten in die Karten spielt…)
Fakt ist: wir Künstler*innen sind von unserer einstigen Rolle der sexy-kreativ-subversiv-kathartischen Gesellschafts-Querschläger*innen neu in die Rolle der Hüter*innen und Bewahrer*innen des Gemeinsinns und des Miteinanders verdrängt worden – also in die Position jener Leute, über die wir uns noch vor nicht einmal 10 Jahren in aller Ausführlichkeit lustig gemacht haben. Die rechten Vollpfosten wiederum haben es geschafft unser Narrenschiff zu kapern und geben sich neu als die geilen, sexy-regressiv-avantgardistischen-Vorgestern-war-alles-besser-Retrorevoluzzer: Ein Trupp Wohlstandsverwahrloster, die, bewaffnet mit Abrissbirnen, Algorithmen und einem Arsch voll Gold die Gesellschaft zu zerlegen versuchen – und dabei, quasi als Kollateralschaden, auch uns Künstler*innen das Wasser abgraben.
Aber hey: Aufgeben ist keine Option! Diesen Winter haben wir drum ein ganzes Füllhorn an kreativen Widerborsten aufgeboten, die der Gegenwart lustig eins um die Ohren schlackern. Künstler*innen, die um keine kreativen Antworten auf zeitgenössische Fragestellungen verlegen sind: Theater HORA, Les Mémoires d’Helène, die jungen Wilden vom INKUBATOR, Anna Papst, Andres Lutz etc…
Stay tuned! It’s real hot shit!
Sabina Winkler, Corinne O’Toole, Michel Schröder, Lukas Piccolin und Janika Imwinkelried
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PS: Menschen mit einem N - (abgewiesen oder noch im Asylverfahren), F - (vorläufig aufgenommen) oder S (Schutzbedürftige) - Ausweis haben freien Eintritt zu allen Veranstaltungen. Reserviere deine Karten vorab per E-Mail oder komme direkt an der Abendkasse vorbei. Ganz herzlich willkommen im Fabriktheater!
PS: People with the permit N (abgewiesen oder noch im Asylverfahren), F (vorläufig aufgenommen) or S (Schutzbedürftige) have free entry to all events. You can book your tickets in advance by e-mail or get your ticket directly at box office before the show. A very warm welcome to the Fabriktheater!
















